Verschwundener Ortsteil Lichtenberg
Raum-Zeit-Fenster zur Vorher-Nachher-Darstellung des Blickes auf die frühere Haldenböschung der Absetzerhalde. Diese ist heute, nach erfolgter Sanierung und Rekultivierung als Aufforstungsfläche von der Verbindungsstraße Loitzsch-Kauern einsehbar. Informationen zur Zwangsenteignung und –räumung der Dorfbewohner, zum Tagebaubetrieb und zur Sanierung des Tagebaurestloches Lichtenberg, sowie ein Erinnerungsstein vervollständigen die auf dem Privatgrundstück der Familie Nettbohl befindliche Haltestelle der Straße der Bergbau-Kultur.
Lichtenberg im Landkreis Gera
Das alte Dorf Lichtenberg im Landkreis Gera ist bis auf zwei Anwesen (hier neben unserem Standort) nicht mehr vorhanden. Es hatte im Jahre 1926 eine Fläche von 212 ha, 19 Häuser mit 22 Haushalten und 95 Einwohner. 1937 war der Ort Loitzsch dazu gekommen und die Einwohnerzahl auf 151 gewachsen. Nach dem 2. Weltkrieg stieg die Einwohnerzahl durch die Aufnahme von Vertriebenen auf 254 Bürger. Das Rittergut im Ort fiel unter die Bodenreform und wurde zu Siedlerstellen geteilt. Es gab damit im Ort nun auch 11 Neubauern, drei Neubäuerinnen und vier neue Höfe. Das Dorf hatte nunmehr 26 Wohnhäuser.
Nach Hermann Müller „Die Umgebung von Ronneburg“
Der Uranerzbergbau greift auf Ostthüringen zu
Nach dem Auffinden von Uranvorkommen 1948 im Mansfeldischen Bergbaurevier, im Buntsandstein des Thüringer Waldes und im Ordovizium des Thüringer Schiefergebirges bis 1950, hatte die SAG Wismut Anlass, in analogen Gesteinen Ostthüringens zu suchen. Damit war die Entdeckung der Uranerzlagerstätte um Ronneburg (Ordovizium /Silur) vorgezeichnet. Die geologische Erkundung überzog Ostthüringen mit all ihren Untersuchungsverfahren. Untersuchungen der oberflächennahen Konzentration von Radon in der ausströmenden Bodenluft (Emanationsmessungen), bei denen Messtrupps mit Vorschlaghammer und Meißel bis 70 cm tiefe Messlöcher in die Erde schlugen, die beprobt wurden, waren die effektivsten. Riesige Gebiete wurden systematisch mit einem Raster von Profilen mit 100 m Zwischenraum und Messpunkten im Abstand von 5 m überzogen. Im Bereich der Orte Ronneburg, Schmirchau, Gessen, Reust und Paitzdorf wurden Werte von 200 bis 500 Eman, um Lichtenberg bis 4.000 Eman gemessen (1 Eman - alte Maßeinheit = 3,7 Bq/l). Noch ahnte niemand, dass man hier eine der größten Uranlagerstätten Europas antreffen würde und welche Belastungen für die Umwelt und die Bürger im Einwirkungsbereich des Bergbaus entstehen sollten. Auf Anomalien wurden Schurfgräben und kleine Schurfschächte von wenigen Metern Teufe angelegt. Eine oberflächennahe Uranvererzung konnte auf diese Weise schnell erkannt werden. Wo bauwürdiges Erz angetroffen wurde, begann auch unverzüglich die Erzgewinnung parallel zur Erkundung.
Die Bewohner der Stadt Ronneburg und der südlich angrenzenden Ortschaften, insbesondere auch Schmirchau und Lichtenberg sahen die emsige bergmännische Arbeit vor ihrer Haustür mit Sorge und Hoffnung zugleich. Die Bauern fürchteten um ihr Land, viele aber lockte der gute Verdienst und die bessere Lebensmittelversorgung der Arbeiter der Wismut.
Die Bergarbeiter erhielten Lebensmittelkarten der Gruppe Schwerstarbeiter für Untertagearbeit und Schwerarbeiter für Übertagearbeit. Zusätzlich gab es vom Unternehmen Lebensmittelrationen, die von der Übererfüllung der Norm abhängig gemacht wurden. Daneben bekam jeder täglich ein warmes Essen und für die Familie eine weitere zusätzliche Lebensmittelkarte der Gruppe IV, wie sie die nichtberufstätige Bevölkerung erhielt.
Ende 1950 wurden die Untersuchungsarbeiten mit Schurfgräben und Bohrungen im Bereich von Lichtenberg und Schmirchau eingestellt. Es war deutlich geworden, dass sich eine ausgedehnte Vererzung in eine noch unbekannte Tiefe erstreckte. Sie sollte verfolgt werden. Die Schürfgräben umgaben die Gehöfte von Lichtenberg bereits in bedrohlicher Nähe. In der Erstreckung des Ortes wurden nunmehr Tiefschürfe (kleine Schächte mit einer Teufe um 30 m, maximal 70 m ) niedergebracht. Die Leitung der Arbeiten übernahm ein Stab, der das Gasthaus belegt hatte. 1952 wurde der erste reguläre Schacht geteuft, er trug die Nummer 352 im Register der SAG Wismut und hatte eine Endteufe von 197 m.
1955 bis 1956 wurde die Mehrzahl der Häuser vom alten Lichtenberg wegen der Bergbaueinwirkungen abgerissen.
Der Bergbau ging vor Eigentum
Die Grundstücksinanspruchnahme erfolgte in den ersten Jahren der SAG Wismut durch Enteignung bzw. Beschlagnahme. Mit dem Wegfall besatzungsrechtlicher Regelungen wurden Grundstücke durch Käufe oder Rechtsträgerwechsel in Anspruch genommen. Das galt auch für die Bürger von Lichtenberg. Bodenschätze waren in der DDR grundsätzlich Volkseigentum, und die Eigentümer hatten die vom Bergbau geforderten Flächen gegen Bezahlung abzugeben. Die Preise richteten sich nach dem Ertrags- bzw. Bodenwert auf Grund der Bodenwertzahlen von 1935 und der Preisstopverordnung von 1936 und lagen zwischen 19 und 51 Pfennig pro m². Gebäude und Inventar, z.B. landwirtschaftliches Gerät, wurden gesondert bewertet und bezahlt. Bei zeitweiliger Nutzung wurden die Flächen oder Baulichkeiten gemietet oder gepachtet.
Der Uranerz-Tagebau Lichtenberg
Im Nachbarort Schmirchau ging der Bergbau in noch viel größerem Umfang um als inLichtenberg. Dort waren Brände durch Selbstentzündung entstanden, die zur Einstellung eines großen Teiles der untertägigen Bergarbeiten zwangen. Das anstehende Erz durfte aber nicht aufgegeben werden. Man entschied sich für diesen Teil zum Abbau in einem Tagebau. 1958 begannen die Aufschlusarbeiten. Der Anschnitt erfolgte am 02.05.1958 östlich der Verbindungsstraße zwischen den ehemaligenDörfern Schmirchau und Lichtenberg. Der Tagebau war zunächst Betriebsteil des Bergwerkes Schmirchau, bis 1962 Revier des Bergwerkes Lichtenberg. 1962 wurde der Tagebau als Bergbaubetrieb Lichtenberg im Rahmen des damaligen Objektes 90 der SDAG Wismut selbständig.
Der Abraum wurde zunächst mit Muldenkippern rings um das Tagebauloch abgelagert. Das Haufwerk war teilweise in Folge der untertägigen Brände immer noch glühend.
Die Menge des Materials und die Entfernungen vom Gewinnungsort bis zur Halde nahmen Größenordnungen an, die den Einsatz einer Bandanlage rechtfertigten, die zu einem Absetzgerät führte und zur Aufschüttung der danach benannten Absetzerhalde im Süden des Tagebaus. Sie erreichte ein Volumen von 70 Mio. m³. Von 1965 bis 1969 war die Band und Absetzeranlage in Betrieb. Durch die Absetzerhalde wurden die Halde und die Tagesanlagen des Schachtes 352 überdeckt und waren nun auch die letzten Häuser des alten Ortes Lichtenberg gefährdet. Einer der Eigentümer, der schon aus dem Dorf Schmirchau umgesiedelt worden war, sollte nun zum zweiten Mal sein Anwesen verlieren. Nach Eingaben an die Regierung der DDR, konnte die vorgesehene Räumung aber vermieden werden, und es sind die letzten Gebäude des früheren Ortes nun doch stehen geblieben.
Der Tagebau hatte sich dem Erz folgend bis an den Stadtrand von Ronneburg ausgeweitet. Im Verlauf der Jahre hatte er sich soweit ausgedehnt, dass der Abraum ab 1970 im Tagebauloch selbst verkippt werden konnte (Innenkippe). Die Bandanlage zur Absetzerhalde wurde daher eingestellt.1976 wurden die Erzgewinnungsarbeiten im Tagebau beendet. Das Tagebauvolumen hatte einen Umfang von 160 Mio. m³ erreicht. Die Urangewinnung betrug 13.837 t.
Sanierung des Tagebaus Lichtenberg
Bis zur Einstellung der Uranproduktion der Wismut wurden im Bereich des Tagebaus keine Sanierungsmaßnahmen eingeleitet. Das Gelände auf dem Plateau der Absetzerhalde wurde durch zwei betriebliche Deponien mit teilweiser Genehmigung zur Nutzung durch Dritte und seitens des Wissenschaftlichen Zentrums (WTZ) der Wismut mit Versuchsflächen zur Erforschung eines möglichen Haldenbewuchses belegt. Der Tagebau war seit der Einstellung der Uranproduktion zentrales Objekt aller übertägigen Sanierungsmaßnahmen der Wismut im Ronneburger Raum. Mit der Sanierung des Tagebaus und der umgebenden Halden der Bergbaubetriebe Reust und Paitzdorf wurden folgende Ziele verfolgt:
· Sichere Verwahrung des Tagebaus
· Verminderung der radiologischen und chemischen Belastung der Umwelt
· Rekultivierung der durch den Bergbau belasteten Flächen
· Sinnvolle und harmonische Landschaftsgestaltung im ehemaligen Bergbaugebiet
Die Umlagerung von Halden in das Tagebaurestloch und damit vollständige Verfüllung des Tagebaues war von Anbeginn die Vorzugsvariante der Wismut GmbH bei den Überlegungen zur Sanierung des Bergbaugebietes. Dazu wurde 1995 ein Verfüllkonzept für den Tagebau Lichtenberg erarbeitet. Das Haldenmaterial mit dem größten Säurepotential sollte dabei unterhalb des endgültigen Grundwasserniveaus eingelagert werden.Die Sanierung des Tagebaurestloches Lichtenberg bildete im Rahmen des Sanierungskonzeptes für den Standort Ronneburg die wichtigste Schnittstelle, da diese Aufgabe mit einer Anzahl weiterer Teilaufgaben eng verzahnt war. Eine solche gegenseitige Beeinflussung traf sowohl speziell auf die Haldensanierung zu, als auch auf die Demontage und den Abbruch radiologisch kontaminierter technologischer Komplexe/Gebäude, die Sanierung von Betriebs- und Verkehrsflächen, die Sanierung der Absetzbecken, die Flutung des Grubengebäudes und die Wasserbehandlung. Schließlich war zu klären, wie mit 1,2 Mio. m³ kontaminierten Kraftwerksaschen, die seit den 1980er Jahren zur selektivenBehandlung, d. h. Verrieselung von harten und hochbelasteten Grubenwasserteilströmen und Haldendrainagen aufgehaldet worden waren, umzugehen sei.
Insgesamt waren somit Massen mit einem Volumen von ca. 210 bis 220 Mio. m³ zu berücksichtigen.
Gessenhalde: 7,50 Mio. m³
Halde 370: 1,30 Mio. m³
Nordhalde: 31,20 Mio. m³
Absetzerhalde: 69,90 Mio. m³
Kegelhalden Reust: 6,30 Mio. m³
Halde 377: 0,40 Mio. m³
Kegelhalden Paitzdorf: 7,60 Mio. m³
Schutzdamm Ronneburg: 0,10 Mio. m³
Dazu wurde im Rahmen des Vertragsthemas mit der kanadischen Firma Steffen Robertson & Kirsten Consulting Engineers zur Haldenerkundung ein Beprobungs- und Untersuchungsprogramm zur Steuerung der Umlagerung der Ronneburger Halden entwickelt. Nach Auswertung der Untersuchungsergebnisse zum Auslaugungsverhalten (Kolonnenversuche) von Haldengestein und nach Abschluss der Erprobungsphase der Feldtests wurden Ergänzungen und Modifizierungen der Tests für das Steuerungs- und Qualitätssicherungsprogramm vorgenommen.
Die lang- und mittelfristige Planung der Umlagerung von Halden und Haldenabschnitten erfolgte auf der Grundlage des Säuregenerierungs- und Neutralisationspotentials des Haldenmaterials, das anhand derBohrkernanalysen ermittelt wurde.
Da die Mobilität von Uran und Schwermetallen entscheidend vom Grad der Säurebildung des Haldenmaterials abhängt, bestand das wesentliche Ziel zur Reduzierung der Schadstofffreisetzung darin, die Pyritoxidation im Haldenmaterial langfristig zu limitieren. Dies gelingt unter Sauerstoffabschluss am besten. So wurde zur Säurebildung neigendes Material in das Tagebautiefste, die sog. Zone A eingebaut, einen Tagebaubereich, der sich nach der Flutung des Grubengebäudes unterhalb des Grundwasserspiegels befinden wird. Um bereits vorhandene Säure zu puffern wurde dem Material der Klasse A während des Abtrages Kalk zugemischt, im Mittel 5-6 kg CaO pro Tonne Haldenmaterial.
Die Großgerätetechnik ermöglichte einen hochverdichteten Einbau des Halden- und Abbruchmaterials, der scheibenweise in 0,6 m bzw. 1,2 m mächtigen Lagen erfolgte. Mehrfaches spurversetztes Überfahren der jeweils aktuellen Einlagerungsscheibe allein reichte aufgrund der gewaltigen Bodenpressung der SKW aus, um die geforderten Verdichtungsgrade zu erreichen. Die so erzielten Einbaudichten des Haldenmaterials tragen dazu bei, den langfristigen Schadstoffaustrag aus dem Schüttkörper drastisch zu verringern, da dessen Durchströmung damit weitgehend unterbunden wird. Auch sind dadurch in der hochverdichteten Kippe langfristig keine nennenswerten Setzungs- und Sackungsbewegungen mehr zu erwarten. Entsprechend den Ergebnissen des mit Öffentlichkeitsbeteiligung geführten Planfeststellungsverfahrens zur abschließenden Gestaltung des Tagebaurestloches Lichtenberg wurde im Jahre 2005 begonnen, auf dem Schüttkörper zwei gestaltete Erhebungen zu schütten. Die größere Erhebung soll in Erinnerung an das dem Uranerzbergbau zum Opfer gefallene Dorf Schmirchau „Schmirchauer Höhe“ heißen. Deren Endhöhe liegt bei über 370 m NN. Die Gesamtfläche des Landschaftsbauwerks des rückverfüllten Tagebaus wird im Endzustand rd. 220 ha, bei einer Länge von ca. 2,6 km und einer maximalen Breite von 1,3 km, betragen. Zur Abdeckung werden Erdstoffe aus der Region eingesetzt. Den Abschluss der Wiedernutzbarmachungsarbeiten bilden Erosionsschutzbegrünung und partielle Aufforstung sowie die Erschließung durch Grabentrassen und Wartungswege.
Nicht säurebildendes Material mit Überschuss an Kalkgestein wurde in die oberflächennahe Zone C, alles übrige Material mit nicht klar zu differenzierenden Eigenschaften in die sauerstoffarme mittlere Zone B eingebaut, die oberhalb des künftigen Grundwasserspiegels liegt. Die Umlagerungsarbeiten hatten mit dem Material der Laugungshalde Gessen begonnen, mit dem vom südlichen Tagebaurand her eine Rampe mit 35 m Fahrbahnbreite zur 160 m tiefer liegenden Tagebausohle geschüttet wurde.
Anfangs war hierfür noch die bekannte Transporttechnik der SDAG Wismut im Einsatz, doch war deren Leistungsfähigkeit der gewaltigen Aufgabe weder technisch noch logistisch gewachsen. Größere und leistungsfähigere Ausrüstungen kamen ab 1991 zum Einsatz. Das waren Schwerlastkraftwagen (SKW), Radlader und Motor-Grader zur Fahrbahnpflege, weiterhin Raupen bzw. Dozer zur Kalkbeimischung, Haldenlockerung und Kippmassenplanierung sowie schließlich Wassertanker zur Staubbekämpfung. Ihr Einsatz war auch zur Kühlung von teils noch sehr heißen Brandmassebereichen nötig, da sich erhitzte Gesteinsmassen als Folge der Schwefelkies- und Kohlenstoffumsetzungen im Haldenmaterial über mehr als 30 Jahre insbesondere in der Absetzerhalde erhalten hatten. Hier wurden in einzelnen Bereichen Gesteinstemperaturen von bis zu 300° C angetroffen.
Die eingesetzten Geräte
Für die Verbringung der Halden in das Tagebaurestloch wurden Lade-, Transport- und Hilfsgeräte der Fa. CATERPILLAR INC. Peoria, Illinois, USA, eingesetzt. Bis Ende 1995 wurde der Haldenabtrag mit der so genannten „Kleinen Flotte“ bewältigt. Ab Oktober 1995 kam zusätzlich die so genannte „Große Flotte“ schrittweise zum Einsatz.
Die Tagesleistungen im Zweischichtbetrieb (2 x 8 h ohne Schichtwechselpause) wurden für die „Kleine Flotte“ mit 9.200 – 12.000 m³/d und für die „Große Flotte“ mit 27.000 – 31.000 m³/d bei einer Transportentfernung von 2,8 – 4,0 km geplant.Die durchschnittlich erreichten Monatsleistungen beim Haldenabtrag 1995 betrug 432.000 m³. Die faktischen Monatsleistungen 1996 lagen zwischen 760.000 und 860.000 m³.